Seit kurzem gibt es in Google Analytics erneut einen neuen Report. Die Kennzahl „Lifetime-Wert“ oder “Lifetime Value” ist plötzlich aufgetaucht und ist neben der „Sitzungsqualität“ eine weitere Neuerung, die ohne große Ankündigung eingeflossen ist und offenbar mehr Insights zu den Besuchern und deren Wertzuwachs liefern soll.
Was ist der Lifetime-Wert?
Der Lifetime-Wert definiert den „Wert“ eines Nutzers Session-übergreifend. Dabei greift Google konkret auf folgende Definition zurück:
„Der kumulierte durchschnittliche Wert pro Nutzer pro Zeitinkrement, dass du nutzt (Tag, Woche, Monat)“ und ferner „Der Lifetime Wert wird berechnet mithilfe der kumulativen Summe der Metrik-Werte geteilt durch die Gesamtzahl an Nutzern, die innerhalb des Akquisitionszeitraums akquiriert wurden.“
Puh. Gleich nochmal lesen.
Kurzum: Wenn deine Website innerhalb des Akquisitionszeitraums (den du oberhalb des Charts definieren kannst) 100 Nutzer (nicht Sitzungen!) akquiriert hat, wird z. B. die Metrik „Sessions pro Nutzer“ wie folgt berechnet
Tag 1 | Tag 2 | Tag 3 | |
kumulierte Sitzungen pro Tag | 100 | 200 | 300 |
Sitzungen pro Nutzer | 100 Sitzungen/100 Nutzer = 1 Sitzung pro Nutzer | 200 Sitzungen/100 Nutzer = 2 Sitzungen pro Nutzer | 300 Sitzungen/100 Nutzer = 3 Sitzungen pro Nutzer |
Viele Betrachtungen und Auswertungen, insbesondere im E-Commerce, erfolgen häufig auf Session-Basis, also auf Basis eines einzigen Besuchs. Man nehme nur mal die allgegenwärtige E-Commerce Conversion Rate, die in vielen Berichten zurate gezogen wird. Dabei wird häufig verkannt, dass im Vorfeld eines Kaufs der Nutzer in der Regel eine wesentlich komplexere Reise hinter sich hat als nur „Ankommen > Kaufen“. Wer’s nicht glaubt, sollte sich mal seinen „Top-Conversion-Pfade“ in Google Analytics genauer anschauen.
Käufe, insbesondere bei beratungsintensiven, komplexen oder teuren Produkten, werden oft erst nach mehreren Besuchen abgeschlossen. Nutzer-zentrierte, statt Session-zentrierte Berichte haben daher durchaus Konjunktur und sind auch bitter nötig, um der Realität Rechnung zu tragen. Wo der Haken daran liegt, erkläre ich weiter unten unter „Wo liegen die Probleme?“.
Wo finde ich den Lifetime-Wert in Google Analytics?
Der neue Bericht findet sich innerhalb der „Zielgruppe“-Berichte und ist noch als „Beta“-Version ausgewiesen. Hieran wird also offenbar noch gearbeitet.
Dort lässt sich entweder eine vom Benutzer gewählte Metrik alleine bewerten oder zwei Metriken innerhalb eines „Akquisitionszeitraumes“ miteinander vergleichen (s. Abb. 2).
Charttime
Die Messwerte, die oberhalb des Graphen gewählt werden können, sind grundsätzlich interessant, weil sie (natürlich) zielbezogen und Nutzer-zentriert sind und damit qualitative Analysen im Hinblick auf Zielerreichungen ermöglichen. Folgende gibt es im linken Auswahlfeld:
- Abschlüsse nach Zielvorhaben pro Nutzer
- Seitenaufrufe pro Nutzer
- Sitzungen pro Nutzer
- Sitzungsdauer pro Nutzer
- Transaktionen pro Nutzer
- Umsatz pro Nutzer
Bei der Auswahl der Vergleichsmetrik im rechten Auswahlfeld fällt auf, dass dort eine weitere namens „Zugehörigkeit“ hinzugekommen ist. Sie wird dabei definiert als
„Die Anzahl der Nutzer, die bereits seit einem bestimmten Zeitraum bei Ihnen aktiv sind. Der Aktivitätszeitraum wird von der ersten Sitzung bis zum aktuellen Datum gemessen und in Tagen, Wochen oder Monaten angegeben. War die erste Sitzung eines Nutzers beispielsweise am 1. Januar, dann ist der Nutzer am 28. Januar seit 28 Tagen bzw. vier Wochen bzw. einen Monat aktiv.“
Damit man die Zugehörigkeit auch grafisch mal vor Augen hat, gibt’s den folgenden – mit patentierten Ninja-Magic-Grafiken ergänzten – Screenshot.
Der systemseitig vorgegebene Gesamtzeitraum bei mir sind derzeit 59 Tage (vermutlich liegen einfach nicht genügend Daten für einen längeren 90-Tage-Zeitraum vor. Die obere, etwas dunklere Kurve spiegelt die Entwicklung der primären Metrik wider (hier „Sitzungen pro Nutzer“, wird an linker Y-Achse gemessen), darunter die Kurve für „Zugehörigkeit“ (Wert gemessen an rechter Y-Achse), die nach rechts hin abfällt.
Je nachdem, welchen Akquisitionszeitraum du wählst, verändert sie sich. Im Beispiel habe ich 28 Tage Akquisitionszeitraum gewählt (01.03. – 28.03. bzw. von Tag 58 zurück zu Tag 30). In dieser Zeit steigt rückwirkend die Nutzerzahl (hellere blaue Linie) bis auf das Maximum an – hier in der Grafik liegt das bei knapp 1,4 Mio. Nutzern, die seit 28 Tagen hinzugekommen sind. Man muss die Kurve also quasi von rechts nach links lesen: „In den letzten 28 Tagen ist die kumulierte Besucherzahl auf bis zu 1,4 Mio gestiegen“.
Verändere ich den Zeitraum z. B. auf 7 Tage Akquisition, passiert folgendes:
Das Maximum ist hier geringer (etwa 330 000) – klar, weil ja in den letzten sieben Tagen insgesamt weniger Nutzer dort waren als in den letzten 28 Tagen. Und der Anstieg ist natürlich kürzer wegen der gewählten sieben Tage.
Anhand von Abflachungen oder Steigungen kann man so also in puncto Zugehörigkeit oder anderer Messzahlen erkennen, wo es stärkere oder schwächere Veränderungen in der Nutzerzahl bzw. der Zielerreichung während der Akquisitionsphase gab.
Und die Tabelle?
Unterhalb der Grafik sind in der Tabelle einige interessante Informationen zusammengefasst. Neben der Anzahl der „betroffenen“ Nutzer, sind dies Daten zum weiter oben ausgewählten primären Messwert. Der sekundäre Messwert wird in der Tabelle nicht berücksichtigt.
Neben der primären Dimension „Akquisitionskanal“, kann man auch granular die Akquisitionsquelle, das -medium oder die -kampagne wählen, um etwas Genaueres zu erfahren. Was allerdings genau dahinter steckt, verrät Analytics nicht. Ich vermute aber, dass standardmäßig eine „Letzter indirekter Klick“-Attribution vorherrscht, bedeutet: Der letzte bekannte Referrer bekommt 100 % der Conversion zugewiesen.
Außerdem lassen sich die einzelnen Zeilen als zusätzliche Graphen im Chart einblenden.
Wofür brauchst du den Lifetime-Wert?
Der Lifetime Value kann hilfreich sein, wenn du wissen möchtest, ob deine Nutzer treu sind oder ob dir Besuchertreue etwas bringt … oder eben nicht. Wenn innerhalb der maximal 90 Tage Betrachtungszeitraum, die bei Betrachtungen auf Nutzerebene bei Analytics obligatorisch sind, „Wert“ hinzugekommen ist, wird sich das hier zeigen. Ist dir die Wertsteigerung nicht gut genug, hast du einen weiteren Ansatz, woran du mit deinen Online-Marketing-Maßnahmen arbeiten kannst.
Wo liegen die Probleme?
Das Problem liegt leider recht tief. Nutzer werden in Google Analytics primär auf Cookie-Basis erkannt – und damit haben wir erneut nur eine halbe Wahrheit. Denn viele Nutzer wechseln während der Reise zur Conversion gerne mal das Gerät oder den Browser oder beides oder sie löschen nach der Session die Cookies. Und da Cookies am Browser „kleben“ ist eine exakte Nutzerzuordnung bei längeren Customer Journeys immer schwieriger und nicht wirklich gut möglich – und damit verlieren die schönen neuen Reports leider an Wirkung.
Doch sie sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Denn letztlich fehlt ja jetzt „nur noch“ ein Schritt: Die Geräte und Browser-übergreifende Erkennung von Nutzern. Das kann doch nicht so schwer sein. 😉
Woher kommen plötzlich diese neuen Metriken?
Das sind mit ziemlicher Sicherheit schon einige Umsetzungen zu den Andeutungen, die Justin Cutroni auf der Konferenz „Data Driven Business“ im letzten November kundgetan hat. Dort kündigte er an, dass innerhalb von 1,5 Jahren viele Menschen mehr Nutzen aus Analytics ziehen werden können als zuvor.
Fazit: „WTV?“
What the Value?
Beta? Ja klar, aber trotzdem schon ganz interessant – auch wenn die Zahlen sehr mit Vorsicht zu genießen sind, die die Reports beinhalten. Denn nach wie vor ist es schwer, Nutzer auf verschiedenen Geräten oder Browsern eindeutig zuzuordnen. Damit werden die Zahlen ein wenig verwässern – insbesondere bei Websites, die längere Customer Journeys zur Conversion haben.
> Hilfeseite von Google zu Lifetime Value: https://support.google.com/analytics/answer/6182550
Gemeinsam mit seinem engagierten Team verfolgt er eine klare Mission: Mehr als nur Webseiten zu optimieren – er will Businesses transformieren und datenbasiert Online-Wachstum bringen.
Sein exzellentes Hintergrundwissen aus Marketing, Technik und Analyse ist bei der Optimierung von Websites immer wieder gefragt und mit seiner Art hat er viele Unternehmen für Webanalyse und Growth Marketing begeistert.
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